Lothar Schultz ist Baubiologe IBN die Idealbesetzung für die Rolle als Bauherr mit Öko-Anspruch. Der gelernte Bootsbauer betreibt in Murnau seit 1992 das Fachgeschäft „Refugio“ für ökologisches Bauen und Wohnen. Mit Vorträgen und Veranstaltungen hat er sich weit über seine oberbayerische Heimat hinaus einen Ruf als vielseitiger Experte erworben. Ob Lehmbau, Naturfarben, gesunder Schlaf, Elektrosmog, Feng Shui, Geomantie oder Rückengesundheit – kein Thema rund ums gesunde Bauen und Wohnen ist ihm fremd. Als „Institution in der Öko-Szene“ hat ihn der Münchner Merkur bezeichnet.
Seine Co-Bauherrin Katharina Krause ist Innenarchitektin und führt ihr eigenes Büro „Sternmark Design“. Kann es bessere Voraussetzungen geben, wenn es um die grundlegende Sanierung und liebevolle Restaurierung eines geschichtsträchtigen, aber ziemlich baufälligen Hauses geht?
Sanierungsabenteuer statt Umzug
Die Ausgangssituation bei dem 370 Jahre alten, denkmalgeschützten Bauernhaus war denkbar schlecht: feuchte Mauern, bröckelnder Putz und ein muffiger Geruch gehörten zum Wohnalltag der Familie Schultz-Krause, die in einer der beiden 140-Quadratmeter-Hälften des Gebäudes zur Miete wohnte.
Als es der Besitzer verkaufen wollte, lag eigentlich ein Umzug in ein gesünderes Haus nahe – jedoch: „Wir hatten zehn Jahre lang darin gelebt. Unsere beiden Kinder sind hier groß geworden,“ erzählt Lothar Schultz. „Und man spürt, wenn ein Haus eine Seele hat. Wir konnten einfach nicht anders, als unsere Haushälfte zu kaufen und uns ins Abenteuer zu stürzen.“ Auch das Bewusstsein für die Baugeschichte trug zu dem Entschluss bei – getreu dem Sinnspruch, den Schultz an einem anderen Haus in seiner Heimat entdeckte: „Man reißt das alte Haus nicht ein, das Väter uns gebaut. Drin richtet sich’s ein jeder ein, wie er’s am liebsten schaut!“
Freilegung der historischen Wurzeln
Die Geschichte des im Ortskern von Murnau gelegenen Bauernhauses ließ sich bis ins Jahr 1650 zurückverfolgen. Entstanden ist es als sogenanntes Mittertennhaus, in diesem Fall sogar als frühe Form eines Doppelhauses: Zwei nicht sehr begüterte Bauernfamilien teilten sich den etwa zwölf mal zwölf Meter messenden Baukörper. Beide Haushälften dienten sowohl als Wohnhaus als auch als Tenne zum Einlagern des Heus. Vermutlich waren auch kleine Stallungen integriert oder angebaut. Die Tenne lag mittig unter dem Giebel – daher der Name – und trennte die beiden Wohneinheiten.
Über die Jahrhunderte erfolgten diverse Veränderungen. Offenes Küchenfeuer gehört heute ebenso der Vergangenheit an wie die zeitweise Nutzung als Schmiede – erkennbar an Vertiefungen in den Wänden. Doch die Grundstruktur des Gebäudes hatte sich kaum verändert. So ließ sich das historische Erbe behutsam an die Erfordernisse des zeitgemäßen Wohnens anpassen. Wo früher das Heu eingelagert wurde, liegt heute der Eingangsbereich. Schon hier im alten Tonnengewölbe verspüren Besucher die Harmonie und Gemütlichkeit, die für die ganze Haushälfte so typisch ist.
(1) Das denkmalgeschützte Bauernhaus im oberbayerischen Murnau aus dem 17. Jahrhundert zeigt sich heute als wahres Schmuckstück
(2) Der Vorher-Nachher-Vergleich zeigt eindrucksvoll, mit welchen Schäden die Bauherrschaft zu kämpfen hatte – und was daraus geworden ist
(3) Der neu gestaltete Eingangsbereich mit seinem Tonnengewölbe. An der historischen Architektur wurde wenig verändert
(4) In der alten Tenne wurden früher Getreide und Heu gelagert
(5) Risse, Salz- und Salpeter-Ausblühungen sind ein Fall für den mineralischen Isolier- und Entfeuchtungsputz auf Kalkbasis
Ein Jahr lang harte Arbeit
Bevor es so gemütlich wurde, wie es heute ist, lag eine entbehrungsreiche Zeit vor der Familie: Sie zogen übergangsweise aus und arbeiteten ein ganzes Jahr lang am und im Haus, „täglich von acht bis acht, fulltime und ohne Urlaub“, so Lothar Schultz. Das Sanierungsjahr begann mit allerlei „Rettungsmaßnahmen“. Zunächst galt es, die Ursache der Feuchteschäden zu beheben: „Wir mussten das Haus tatsächlich erstmal aus dem Dreck graben,“ beschreibt es der Bauherr anschaulich. Einen Meter tief wurde rund ums Haus aufgebuddelt und das völlig durchfeuchtete Bruchsteinmauerwerk Meter für Meter bis an die Sohle freigelegt. Unter die rund 40 Zentimeter starken Mauern kam eine Horizontalsperre und Streifenfundamente aus Beton.
Erst Rettung, dann Verschönerung
Sanierung und Dämmung des Dachstuhls, Außendämmung des in Holz-Blockbauweise erstellten Obergeschosses, neue Holzfenster und -türen, Erneuerung der Sanitär- und Elektroinstallationen… Nach all diesen Basismaßnahmen ging es endlich an die Arbeiten, die das Haus heute zum Schmuckstück machen: das Verputzen der Innen- und Außenwände. Doch auch hier mussten zuerst alle alten Putzschichten entfernt werden. „Es gab ja auch frühere Stallbereiche mit Salpeter- und Schimmelablagerungen oder Salzausblühungen. Wir haben nach einer chemischen Analyse des Untergrundes eine speziell eingestellte Renovier-Silikat-Grundierung mehrfach aufgespritzt, um den Untergrund erst einmal zu neutralisieren.“
(6) Gerade für Küchenwände sind diffusionsoffene Naturkalkputze mit ihrer Fähigkeit zur Feuchtigkeitsregulierung ideal
(7) Blick ins Bad: Neben Kalk bestimmt – ebenfalls ganz klassisch – Holz die Einrichtung des Hauses
(8) Reduzierte Möblierung, Wandflächenheizung und alles bio: Das Schlafzimmer strahlt Entspannung und Gesundheit aus.
(9) Lothar Schultz, Bauherr, Baubiologe und Inhaber des Fachgeschäfts „Refugio“ für ökologisches Bauen und Wohnen
(10) Verspielte Accessoires und lebendige Farben zeigen dem Besucher, dass in dem historischen Mittertennhaus heute Genuss und Lebensfreude zuhause sind
Baubiologisch ideal: Kalk
Als historisches wie auch baubiologisch ideales Material erwies sich Kalk. Lothar Schultz gerät ins Schwärmen, wenn er von den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten dieses Naturbaustoffs erzählt und ihn mit Kunststoffprodukten vergleicht: Die seien längst nicht so langlebig, ganz zu schweigen von ihrer späteren Entsorgung als Sondermüll. Zusammen mit ausgewiesenen Fachleuten haben Schultz und Katharina Krause für alle Einsatzbereiche außen und innen die passenden Biokalkputze und -farben gewählt – allesamt Schweizer Naturkalke vom Hersteller Haga.
Auf eine zusätzliche Dämmung der 50 Zentimeter dicken Bruchsteinmauern im Erdgeschoss wurde verzichtet – nicht zuletzt aus Gründen des Denkmalschutzes. Das Mauerwerk wurde innen wie außen mit Trass, Sumpfkalk, hydraulischem Kalk und Sand verfugt. „Ein altes Rezept, ideal zum Abbinden und ein super Putzgrund“, erinnert sich Schultz. „Darauf kam Kalk-Edelputz, den wir mit einer Malerbürste gefinisht haben.“ Die Feinarbeit am Ende, der Anstrich in Freskotechnik, erfolgte mit Kalkfarbe und Kalkwasserlasur.
Im Obergeschoss kam Haga-Bio-Einbettmörtel mit Armiergewebe auf die Putzträger aus Holzweichfaserplatten, bevor wie im EG der Restaurierputz und das Farb-Finish aufgetragen wurden. Innen wurden alle nicht-mineralischen Oberflächen mit Mineralputzgrund vorbehandelt. Es folgten Kalkstreichputz, Kalkputzglätte, Kalkfarbe oder Stuccospachtel.
Dauerhafter Feuchteschutz
Für all diese Kalkprodukte sprach nicht nur ihre historische Authentizität, sondern vor allem der dauerhafte Feuchteschutz. Nach den vielen Jahren mit dem durchfeuchteten Mauerwerk wollten die Restauratoren kein Risiko eingehen und die bauphysikalischen Vorzüge von Naturkalk nutzen: Er macht Schimmel aufgrund seines hohen pH-Werts das Leben schwer. An den Außenseiten reguliert ein spezieller Entfeuchtungs- und Dämmputz die Luftfeuchtigkeit.
Der baubiologisch empfehlenswerte Schichtaufbau entzieht durch seine hohe Diffusionsfähigkeit und den guten Wasserhaushalt Algen und Pilzen die Wachstumsgrundlage. Zudem ist Kalk antistatisch und zieht damit keine Schmutzpartikel an. All diese Effekte kann Lothar Schultz nach der Instandsetzung seines Hauses bestätigen.
Und wie selbstbaufreundlich ist das Ganze? „Den richtigen Umgang mit den ganzen Kalkprodukten kann sich auch ein Fachfremder aneignen – wenn er gewillt ist und Zeit mitbringt“, so Schultz. Lachend fügt der Verkaufsexperte hinzu: „Schließlich gibt es auch Chirurgen, die können besser Oldtimer restaurieren wie ein Kfz-Meister.“ Und so sind sowohl der Baubiologe als auch die Innenarchitektin Katharina Krause mit dem Ergebnis ihrer Sanierung hochzufrieden: „Man sieht und spürt sofort den Unterschied, wenn man das Haus betritt. Unsere Besucher sind nicht nur von der Optik, sondern auch vom angenehmen Raumklima begeistert.“
1 Kommentar.
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